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Gedichte über den Schlaf - Seite 4


Kirchenschlaf

---- Ein äußerst düsteres Kapitel,
das ich voll Abscheu hier bekrittel,
obwohl´s seit jeher viele traf,
ist der berühmte Kirchenschlaf.
Er gilt, belauscht man Volkes Mund,
als heilsam, stärkend und gesund,
weswegen, wenn auch viele spotten,
es kaum gelingt, ihn auszurotten.
---- Obwohl die echte Kirchenbank,
man muss fast sagen: Gott sei Dank,
sei es durch Zufall oder List,
so hart und steif gezimmert ist,
dass jeglichem Gemeindeschäfchen
vergeht der Wunsch nach einem Schläfchen
und diese Bank dem, der sie kennt,
erscheint als Marterinstrument,
wo er vor Unbequemlichkeit
und Qualen innerlich laut schreit,
sieht feiertags im Gotteshaus
die Praxis oft erschütternd aus.
---- Wer erst in frühen Morgenstunden
hat seinen Weg ins Bett gefunden,
wird überwältigt von dem Sehnen,
den Mund zu öffnen, um zu gähnen,
wobei es ihm zunächst noch glückt,
dass er den Anfall unterdrückt.
Doch dann verstummt der Lärm der Lieder;
derselbe Drang quält ihn schon wieder,
und zwar noch schlimmer als vorher.
Der Widerstand fällt doppelt schwer.
Jetzt würde er es sehr genießen,
die müden Augen sanft zu schließen,
was er sich, mehr und mehr ermattet,
zwar zögernd, aber doch gestattet,
zumal er beinah mühelos
auch Gründe hat für den Verstoß,
wie Buddha einst am Gangesstrand
Erleuchtung und Erlösung fand,
der offnen Sinns, doch Augen zu
emporstieg in Nirvanas Ruh.
---- Erst konzentriert er sich noch frei,
dann legt sich ein Gewicht wie Blei
auf Augenlider und Verstand
und nimmt zusehends überhand.
Das Haupt, das meistens hoch erhoben
getragen wird, senkrecht nach oben,
beginnt nach einer der vier Seiten
ins Waagerechte abzugleiten,
wodurch, für alle wahrnehmbar,
sein Gleichgewicht kommt in Gefahr.
---- Ein Zweiter, daran nicht beteiligt,
der wachen Augs den Sonntag heiligt,
erwägt dann wohl gedankenvoll,
ob er den Schläfer wecken soll,
der seitlich in sich selbst verbogen,
von Erdenschwerkraft angezogen,
im nächsten Augenblick wie tot,
doch krachend umzukippen droht.
Drum überlegt er fieberhaft,
wie er es ohne Aufsehn schafft,
dass er ihm Schmerz und Leid erspare
und ihn vor Spöttelei bewahre,
von Jesu Forderung getrieben,
den andern wie sich selbst zu lieben.
---- Zivilcourage ist nicht leicht,
weswegen meist viel Zeit verstreicht,
bis er die Folgen seiner Tat
bedacht und durchgerechnet hat,
anstatt auf Anhieb und spontan
auch auszuführen seinen Plan.
Wer Gutes tun will, tu´s sofort,
bevor der edle Drang verdorrt,
weil jeder leicht Aspekte findet,
begründet oder unbegründet,
teils anrüchig, teils ehrenvoll,
warum er´s lieber lassen soll.
Sobald es dann zum Handeln geht,
ist´s leider, leider schon zu spät.
---- Der andre äußert Lebenszeichen,
Haltlosigkeit und Ohnmacht weichen.
Mit einem Ruck setzt er sich grade.
Die Predigt ist zu Ende, schade.
Was der Herr Pfarrer dem, der sündigt,
nachdrücklich einschärft und verkündigt:
Gott will ermuntern, mahnen, strafen,
besonders ihn, er hat´s verschlafen.
---- Jedoch was geistlich ist zerronnen,
das hat er körperlich gewonnen.
Versehn mit neu geschenkter Stärke
geht er von dannen und zu Werke.
Wenn ihn zu Hause jemand fragt:
„Was hat der Pfarrer denn gesagt?“,
dann ist er keineswegs verlegen.
„Um Sünde ging´s. Er war dagegen,“
womit er ohne viel Bombast
das Wichtigste zusammenfasst.
---- Es macht ihm Mühe zu verstehn,
dass andre nicht zur Kirche gehn.

Silesio
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Der Bär

Ein Bewohner von Höhlen, der Winterschlaf hält
Der meistens allein, sich zur Liebe gesellt
Der vielseitig reich sich bestens ernährt
Ein Vorbild für uns, als Krafttier bewährt

Bewundert, verehrt und sagenumwoben
Gejagt und verfemt, fast ausgestorben
Wir fühlen uns diesem Wesen sehr nah
Der schon für uns Kinder in Nächten da war
 
Der Ranghöchste ist er in allen Wäldern
Gefürchtet, gemieden selbst auf den Feldern
Dem Hunde nahe wittert er bald
Die Gefahr, die ihm droht - da macht er Halt

Er stellt sich dann auf und schaut ringsumher
Wirkt mächtig und groß und auch etwas schwer
Doch ist er sehr schnell und äußerst geschickt
Bleib lieber zurück und meid' den Konflikt!
 
Ein Sinnbild der Stärke, ein Wesen der Kraft
Ein sehr guter Schwimmer - und was er so schafft!
Er klettert, liebt Honig und warm ist sein Pelz
So macht- und so friedvoll - wenn du ihn nicht stellst

Vielleicht brauchst du heute ein sehr dickes Fell
Dann bitte den Bären dir einmal zur Stell'
Mit so warmem Herz und mit seiner Stärke
Da gehst du in großer Ruhe zu Werke


Bären gehören zu den 'hundeartigen Raubtieren', zu denen auch die Robben, Walrosse, Pandasund Marder zählen. Sie haben in Europa ihre Lebensräume großteils verloren, leben in Kuscheltieren, Kinderbüchern und Filmen, in Wappen und Redewendungen, Märchen und Mythen weiter. Obwohl sie Raubtiere sind, ernähren sie sich zu einem guten Teil vegetarisch von Beeren, Kräutern, Pilzen u.a. Sie sind scheue Einzelgänger und finden sich nur zur Paarung zusammen - danach geht jeder wieder seiner eigenen Wege. Sie halten einen Winterschlaf über 4-5 Monate, den sie ohne Nahrung überstehen - nachdem sie sich vorher sehr reichlich satt gefressen haben. Vielleicht ist diese Situation vor oder nach dem Winterschlaf der Ursprung des 'Bärenhungers'.
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